Das Kulturhanse-Pilotprojekt wird zum Programm. Wir verstetigen damit den Kulturhanse-Ansatz und erweitern ihn um neue Gründungslabore und einen ganzheitlichen Ansatz. In unserer Serie möchten wir euch das Programm und seine Bausteine vorstellen. Lernt hier im sechsten Teil eine unser alten regionalen Gründungsinitiativen kennen: das ahoj Görlitz !
Herzlich Willkommen in der Kulturhanse, ahoj Görlitz!
Mit dem Start des Kulturhanse-Programms sind drei neue regionale Gründungsinitiativen, das digitale Gründungslabor des Social Impact Labs, die Gründungsgarage aus Chemnitz und das inklusive Werkhaus in Erfurt, hinzugekommen. Darüberhinaus begrüßen wir in der Riege der “alten Hasen”, neben dem Ahoi Altenburg, heute das ahoj Görlitz.
1) Stellt mal euer ahoj kurz vor!
Lorenz Kallenbach: “Wir sind ein Team mit eigenem Laden namens ahoj und unterstützen Einzelne und Teams bei ihren Gründungsvorhaben. Am liebsten diejenigen, die mehr als den eigenen Vorteil im Blick haben – am allerliebsten Leute, die damit einen Beitrag zum Wohle möglichst Vieler leisten wollen. Wir wollen, das Leute vor Ort ihre eigenen Potentiale zusammen mit anderen entdecken und langfristig wirtschaftlich eigenständig werden. Das liegt daran, dass wir hier schon Teil einer Szene sind, die so unterwegs ist und die sich damit beschäftigen, wie wir uns hier Verbleibsperspektiven schaffen können. Viele von uns haben selbst gegründet und begonnen, selbst Dinge in Görlitz aufzubauen. Das geht hier ganz schnell – man ist da und dann packt einen die Atmosphäre. Wir ermutigen Andere, das auch zu tun. Dabei unterstützen wir sie mit unseren Möglichkeiten und Beleben damit unser Umfeld.”
2) Warum braucht es das für Görlitz?
“In den letzten 10 Jahren entstand in Görlitz eine neue, bunte Alltagskultur. Läden eröffneten, wo vorher Leerstand war – Industrieruinen wurden kreativ umgenutzt – Programmkinos und Zirkusläden (z.B. vom Cyrkus) wurden eingerichtet. Ein deutliches Aufblühen, eine neue Atmosphäre und Lebensqualität wurde spürbar. Die Stadt begann damit selbstbewusst nach außen zu werben. Wir waren dabei – kennen die Mühe, die Solidarität, das niederschwellige Geben und Nehmen – auf dem diese Leistungen beruhen. Gleichzeitig haben wir wahrgenommen, wie unverhältnismäßig wenig die Leistungen solcher Akteur*innen gewürdigt worden sind. Wir sahen viele ‘Prophet*innen im eigenen Land’ die überregional gefeiert und eingeladen wurden – lokal aber kaum gesehen und unterstützt wurden. Viele der Aktiven sind Zugezogene und haben damit nicht die Unterstützung der eigenen Familie und Bekanntschaft hinter sich.
Geschichtlich gesehen landeten schon immer Abenteuerlustige und Reisende in Görlitz und ein Teil von ihnen versucht hier Fuß zu fassen, indem sie etwas eigenes gründeten. So kamen die Tuchmacher aus Erfurt im 15. Jahrhundert, um sich an an der Handelsstraße anzusiedeln und bauten die Hallenhäuser – in denen sie miteinander Arbeit, Verkauf, Wohnen, Ausschank und Konspiratives teilten. Görlitz hatte auch deshalb immer eine unheimlich aktive Bürger*innenschaft, die es sich nicht nehmen lies, eigene Vorhaben zum Wohle Vieler selbst anzugehen. An dieses Erbe knüpfen wir an und wollen die Erprobungsräume und Unterstützungsangebote, die für Gründer*innen fehlen, selbst aufbauen.”
Der Verein hinter dem ahoj Görlitz:
Der Verein hinter dem ahoj:
Der ideenfluß e. V. wurde von engagierten Görlitzer*innen gegründet, die hier lebenden Menschen und Initiativen dabei helfen, Ideen in konkrete Projekte umzuwandeln. Thematisch verortet in den Bereichen Internationale Völkerverständigung und Jugendarbeit (u. a. das internationale Netzwerkprojekt YEPP), Kunst und Kultur, Denkmalpflege mit Kulturerbethemen sowie Umwelt und Erneuerbare Energien, strahlt der Verein seit nunmehr 18 Jahren in den Görlitzer Stadtraum aus.
3) Was sind eure aktuellen Herausforderungen?
“Der Anfang ist gemacht – 3 Jahre Aufbau liegen hinter uns. Aus dieser Zeit und den ersten Erfahrungen bei der Unterstützung von Gründer*innen kommen eine Menge (auch eigener) neuer Ansprüche und Wünsche zusammen, die wir umsetzen wollen. Die Räume werden auch je nach Team nochmal umgestaltet und da gerade Anna und Jenny neu an Bord gekommen sind, sind wir momentan dabei, uns als Team einzugrooven. Im Sommer wollen wir dann auch schon mit ersten Angeboten aufmachen und wieder nach Gründungsinteressierten Ausschau halten. Einige haben sich auch schon gemeldet. Hier läuft vieles parallel, wie du merkst – aber das ist toll und wir freuen uns auf die kommenden Monate!”
4) Wie sieht speziell eure Collective Impact Initiative aus? Welches Netzwerk wollt ihr spinnen?
“Mit unseren wichtigsten Partner*innen vor Ort sind wir schon eine Weile zusammen unterwegs. Das sind drei Vereine und einige Einzelpersonen, die mit uns vor Jahren zusammen überlegt haben, ob es sich lohnen würde, Unterstützungsstrukturen aufzubauen. Die sind richtige Wegbegleiter*innen geworden und haben uns je nach Phase unterschiedlich unterstützt. Wir haben damals am Anfang alle die Karten auf den Tisch gelegt und gemerkt, dass genau das, was heute ahoj macht, gefehlt hat: Das waren zum einen Räume, die eine zentrale Anlaufstelle und einen kostenfreien Ort für gemeinsames Arbeiten bieten. Und es fehlten Leute, die Interessierte empfangen und lotsen, regelmäßigen Austausch und Input organisieren und leidenschaftlich Leute zusammenbringen und die Botschaft der Szene nach außen tragen. Wir erweitern seitdem den Kreis der Partner*innen nach Bedarf und wenn die Werte zusammenpassen. Deshalb sind wir sehr froh, dass uns die Stadt unterstützt und wir auch mit der Gründerakademie der Hochschule Zittau/Görlitz zusammenarbeiten. Nun geht es daran, gewonnene Partner*innen und unsere ersten Gründer*innen weiter einzubinden. Wir wollen eine starke Gemeinschaft aufbauen, die sich gut kennt und gegenseitig unterstützt.”
5) Welchen Beitrag wollt ihr im Rahmen der Kulturhanse leisten?
“Im Rahmen der Kulturhanse wollen wir weiter von der “Weisheit der Gruppe“ profitieren und unsere Fähigkeiten und Wissen mit reingeben. Ist ja nicht umsonst eine Hanse: Handel, Geben und Nehmen, gemeinsame Sache machen. Die Förderung durch die Drosos-Stiftung ermöglicht uns die Koordination von ahoj zu entlohnen, die Partner*innen- und Netzwerkarbeit auszubauen und die Organisation weiter zu entwickeln. Wir wollen neben dem täglichen Unterstützen langfristig wirtschaftlich eigenständig werden.”
6) Was erhofft ihr euch von der Kulturhanse?
“In der Kulturhanse sind wir schon seit dem Stipendium und der Leuchtturmphase. Nun kommen neue Standorte mit spannendem Vorwissen dazu. Wir sind voll gespannt darauf, gemeinsame Potentiale aufzudecken und zu nutzen. Es muss ja nicht jede*r das Rad neu erfinden, wenn es an einem anderen Standort schon läuft. Die großartige Haltung und Koordination durch die Erfurter Seeleute von Plattform e.V. und der Wandelwerft lässt erwarten, dass wir auch überregional eine Gemeinschaft bleiben und unsere Partner*innenschaft weiter ausbauen können – das freut uns sehr. Vielleicht schaffen wir es gemeinsam sogar ein Stück ‘Gründungskulturgeschichte’ in Ostdeutschland zu schreiben. Vielleicht schaffen wir es, dass sich die Wahrnehmung dafür, was Gründen für junge Menschen bedeuten kann, durch uns noch mal neu entdecken lässt.”