In unserer Serie Kulturhanse-Expeditionen stellen wir euch ausgewählte Auszüge aus unserer Publikation vor. Dies sind spannende Themen, Analysen Ideen und Erkenntnisse auf unserem Weg. Im vierten Teil widmet sich die Coworking-Expertin Alexandra Bernhardt in einem Gastbeitrag dem Thema wie Coworking in strukturschwachen Regionen “Entwicklungsarbeit” leisten kann.
Ein Gastbeitrag von Alexandra Bernhardt
Befeuert durch die letzten Jahre der Corona-Pandemie haben Coworking Spaces und andere dritte Orte » Die Vielfalt dritter Orte, S. 30ff. als Alternative zum mobilen Arbeiten im Homeoffice an Popularität gewonnen. Sie sind jetzt auch in der postpandemischen Zeit nicht mehr wegzudenken. Coworking hat sich in den letzten Jahren zunehmend etabliert: Es ist ein weltweites Phänomen, das in den Großstädten des globalen Nordens Mitte der 2000er Jahre seinen Anfang nahm und mittlerweile auch im globalen Süden sowie in peripheren und ländlichen Regionen angekommen ist. Dabei sind Coworking Spaces nicht nur für Coworker*innen und Unternehmen von Nutzen, sondern auch für die Gemeinden und lokalen Akteur*innen. Sie können gerade in strukturschwachen Regionen „Entwicklungsarbeit“ leisten und stellen hier mögliche Katalysatoren für die lokale Entwicklung dar.
Was sind Coworking Spaces?
Kurz gesagt handelt es sich um flexible, gemeinschaftsorientierte Arbeitsräume. In ihrer Minimalkonfiguration bestehen sie aus einem Open Space mit mehreren Arbeitsplätzen, einem Sitzungszimmer (für Besprechungen oder als Rückzugsort) und einem Küchenbereich (als sozialer Treffpunkt). Mit zunehmender Fläche kommen zusätzliche Räume hinzu, wie verschiedene Arbeitszonen, Telefonboxen, Einzel- und Teambüros, Werkstatt, Café, usw. – der Vielfalt sind keine Grenzen gesetzt. Betrieben werden Coworking Spaces von unterschiedlichen Akteur*innen: Einzelpersonen, Unternehmen, Gemeinden, Vereinen oder Universitäten. Zentral ist bei allen Coworking-Konzepten die Flexibilität der Nutzung (von einem Tag bis hin zur dauerhaften Nutzung) und damit verbunden die Offenheit des Nutzer*innenkreises, dessen Zusammensetzung jeden Tag anders aussieht.
Eine Kulturhanse, damit mehr Menschen im ländlichen Osten gut leben können.
Mit unserer Projektpublikation, den Kulturhanse-Expeditionen reisen wir auf 182 Seiten noch einmal durch die ersten fünf Jahre der Kulturhanse. Fünf Jahre, in denen wir versuchten, gemeinwohlorientierte Gründungslabore und Ökosysteme jenseits großer Städte in Ostdeutschland zu initiieren. Fünf Jahre, in denen wir die Macher*innen vor Ort ermutigten, stärkten, lokal und regional mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft vernetzten.
(Laptop-)Arbeitende mit unterschiedlichen Unternehmenszugehörigkeiten und Beschäftigungsverhältnissen, aus unterschiedlichen Branchen und mit unterschiedlichen Arbeitsrhythmen finden im Coworking Space passende temporäre oder auch dauerhafte Arbeitsräume. Aber nicht nur das: Der besondere Reiz von Coworking liegt in der Coworking-Community und damit verbunden den Veranstaltungen, gemeinschaftlichen Ritualen und sozialen Treffpunkten im Space. Zentral ist hier die Rolle der Coworking Hosts oder Community Manager*innen, die Ansprechpartner*innen für die Nutzer*innen sind, Coworker*innen vernetzen und die Gemeinschaft und Räume mit Blick auf Begegnungen und soziale Interaktionen kuratieren. Dieser Fokus auf die Gemeinschaft ist es auch, der Coworking Spaces von anderen Formen flexibler Arbeitsräume unterscheidet.
Coworking Spaces und ihr Einfluss auf die lokale Entwicklung
Mittlerweile gibt es immer mehr Coworking Spaces in peripheren und ländlichen Regionen (zur Verbreitung vgl. zum Beispiel die CoworkingMap). Hier ist der Coworking Space oftmals nicht nur ein Arbeitsort, sondern auch sozialer Treffpunkt für Vereine oder für Gruppen verschiedenen Alters (Senior*innen ebenso wie Schüler*innen), und arbeitet idealerweise eng mit Gemeinde und lokaler Wirtschaft zusammen, damit das Coworking-Angebot auch zu den lokalen Bedarfen passt. Verschiedene Typen und Beispiele, wie Coworking Spaces in ländlichen Regionen aussehen, finden sich im Bericht der Bertelsmann Stiftung (vgl. Bähr, Biemann, Hentschel, & Lietzau, 2020).
Die Coworker*innen profitieren unmittelbar davon, dass sie einen professionellen Arbeitsort in der Nähe ihres Wohnorts aufsuchen und Infrastruktur teilen können. Durch die Trennung der Orte der Arbeit und Nicht-Arbeit ist es im Vergleich zum Homeoffice einfacher, sich auf die Arbeit zu fokussieren und zugleich besteht im Coworking Space der Anschluss an ein soziales Netzwerk und die Möglichkeit der Teilnahme an den Veranstaltungen und anderen Aktivitäten. Gerade Pendler*innen können davon profitieren, im Coworking Space in der Nähe zu arbeiten und nicht täglich zum Firmensitz zu fahren.
Dies spart Zeit, die sie wiederum in der Gemeinde, für die Familie (und damit eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Care-Aufgaben), Hobbies oder Ehrenamt nutzen können. Letzteres kommt wiederum lokalen Vereinen und Initiativen wie beispielsweise der Freiwilligen Feuerwehr zugute, die es gerade in ländlichen Regionen nicht immer einfach haben, neue Mitglieder zu finden. Und Unternehmen können so Fachkräfte gewinnen, die nicht bereit sind, zum Firmensitz zu ziehen und somit dezentral bzw. remote arbeiten können.Dass Coworker*innen mehr Zeit in der Wohngemeinde verbringen, ist wiederum der lokalen Wirtschaft zuträglich.
Denn die Arbeitenden nutzen und konsumieren damit verstärkt lokale Angebote. Zudem kooperieren Coworking Spaces auch mit lokalen Anbieter*innen, zum Beispiel für Mittagsverpflegung oder Yoga. Ein Coworking Space in einer peripheren bzw. ländlichen Lage kann zudem zur Standortattraktivität einer Gemeinde beitragen. Wenn dort Start-ups, Selbstständige und kleine Unternehmen arbeiten, dann zieht dies wiederum weitere Akteur*innen an, wie neue Mitarbeitende oder andere Unternehmen. Somit können über den Coworking Space Personen in der Region gehalten bzw. gar angezogen werden, was gerade in den ländlichen Regionen Ostdeutschlands eine Gegenstrategie zur Abwanderung darstellen kann.
Aber nicht nur dies gibt Anlass für Gemeinden, regionale Coworking-Initiativen zu unterstützen. Darüber hinaus profitieren die Kommunen auch von den Angeboten des Coworking Space, die typischerweise nah an den lokalen Bedarfen sind. Das kann unterschiedlich aussehen. Sei es, dass das Sitzungszimmerangebot dem Bedarf von Unternehmen oder Vereinen nach Meetingräumen entgegenkommt, dass eine Ferienaktion für Schüler*innen im Coworking Space fehlende lokale Angebote auffängt oder dass sich über den Coworking Space Netzwerke bilden, die es vorher noch nicht gab. Nicht zuletzt ist ein Coworking Space damit auch eine Bereicherung für Nachbarschaft und Einwohner*innen der Gemeinde, die von den zusätzlichen Angeboten wie beispielsweise einem Café, den Veranstaltungen oder Bildungsangeboten ebenso profitieren wie die Nutzer*innen. Und Coworking ist auch nachhaltig: Dass Coworker*innen weniger pendeln, bedeutet weniger CO2-Emmissionen, was letztlich der Umwelt zugutekommt. Zudem werden durch das Teilen von Büroinfrastruktur Platz und Ressourcen geschont.
Literaturverzeichnis
Bähr, U., Biemann, J., Hentschel, P. & Lietzau, J. (2020). Coworking im ländlichen Raum. Menschen, Modelle, Trends. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung (Hrsg).
Andocken
Gern organisieren wir solche Formate bei dir vor Ort. Sprecht uns gern an, wenn wir Euch bei der nachhaltigen Entwicklung eures gemeinwohlorientierten Ortes unterstützen sollen. Meldet euch unter: rike@kulturhanse.org.
Wissenstransfer
Wir geben unser Wissen gern weiter, z.B. in Vorträgen, Impulsen, Workshops, Trainings, Weiterbildungen zu Themen wie: Was brauchen Social Entrepreneure auf dem Land? Wie verwandelt man Leerstand in einen Ort aktiven bürgerschaftlichen Engagements?
Begleitung & Coaching
Ob Organisations- oder/und Regionalentwicklung – wir begleiten euch dabei Lösungen für eure konkreten lokalen oder regionalen Problemstellungen zu entwickeln.
Werkstattprogramm
Neben maßgeschneiderten Prozessen bieten wir die Kulturhanse-Akademie, ein Werkstattprogramm in einem strukturierten, kollegialen Rahmen. Bereits in zwei Jahrgängen konnten wir uns vom Erfolg des Zusammenspiels zwischen Qualifizierung, Raum- und Laborentwicklung und Inspirationsreise überzeugen.
Vernetzungs
veranstaltungen
Unser Kulturhanse-Netzwerk bringen wir in Konferenzen, Camps und anderen Peerformaten zusammen. Im Austausch mit anderen Macher*innen, Stakeholdern und Entscheidungsträger*
innen lässt sich Inspiration und Mut für das eigene Vorhaben schöpfen.