Die ersten drei Monate Partnerlabor…in Güsen

Das erste Quartal Gründungslabor ist geschafft. Unsere Partnerlabore berichten darüber, wie sie in See stachen, welche Meere und Ozeane sie erforscht und erste Abenteuer bestanden haben. Dieses Mal sprachen mit Frank Jansky vom Bahnhof17 in Güsen.

1. Was ist bei Euch im Gründungslabor seit der Eröffnung passiert?

Frank: Es ist, trotz des Winterschlafs um uns herum, Leben in den Bahnhof17 gekommen. Wir übernehmen nun einen Teil der Organisation der 800-Jahres-Feier des Dorfes, stellen dafür Raum und Kommunikationskanäle zur Verfügung und werden uns mit einer eigenen Veranstaltung beteiligen. Damit erweiterte sich der Interessentenkreis. Vor Corona trafen sich hier die Landfrauen und die Grüne Liga. Daneben bietet der Bahnhof17 ein Kleiderkarussell, Coworkingspace, Bürofläche für andere Projekte, einen Gemeinschaftsraum, Mitgliederladen – und natürlich das Gründungslabor.

Zunächst haben wir hier die Raumaufteilung überdacht, damit die Bedürfnisse der einzelnen Gründungsideen besser Rechnung getragen wird. So wird jetzt die Küche dorthin platziert, wo es einen günstigeren gelegeneren Anschluss für Wasser und Abwasser gibt. Die Werkstatt für den Makerspace wiederum kommt in den hinteren Teil des Gebäudes, sodass die lauten Arbeiten niemanden stören. Ausserdem haben wir gemeinsam mit den Gründer*innen eine Möbelbauaktion gestartet und Berliner Hocker für unser Club-Kino im Gemeinschaftsraum gebaut. Erste Filmabende gab es bereits, die Saison läuft aber erst an. Wir hoffen, dass wir, sobald sich die Regeln lockern, daran anknüpfen können.

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2. Wie sieht euer Gründungslabor und die Betreuung der Gründer*innen aus?

Frank: Die erste Runde startete ja ohne große Ausschreibung und Auswahlverfahren. Wir wollten znächst mit den Ideen der Bahnhof17-Akteur*innen beginnen, um im geschützten Raum auszuprobieren, wie für uns das Gründungslabor am besten funktioniert. Wenn wir das richtige Rezept erarbeitet haben, öffnen wir uns in Runde zwei. Geprüfte, erfolgreiche Konzepte lassen sich besser nach außen kommunizieren.

Ihr müsst wissen, dass wir unter besonderen Bedingungen hier im kleinen, dörflichen Güsen arbeiten. 80 % der Gründer*innen sind Langzeitarbeitslose und sehen das Projekt als Hilfe für ihre Persönlichkeitsentwicklung: Raus aus der Isolation, rein in die Selbstorganisation des eigenen Lebens. So ist es für Viele herausfordernd, kontinuierlich am Ball zu bleiben und sich konstant zu motivieren. Ein großer Erfolg ist hier, weg von Hartz4 zu kommen und nur noch Aufzustocken. Das Gründungslabor und den Verein zu repräsentieren ist für unsere Leute eine Herausforderung und Ehre. Insofern war unser Auftritt bei der Grünen Woche im Januar,  in der wir den Bahnhof und das Gründungslabor vorstellten, enorm wichtig. Voller Stolz erzählen die Gründer*innen heute noch, wie sie mit Fremden auf der Messe ins Gespräch gekommen sind.

Unsere Begleitung konzentriert sich auf regelmäßige Treffen, unsere wöchentlichen Gründer*innenmeetups und individuelle Coachings. Das müssen wir zwangsläufig digitalisieren. Die Frequenz unserer Anrufe hat sich erhöht. Außerdem planen wir Webinare.

3. Woher kommen die Gründungsideen auf dem Land und welche sind bisher eingezogen?

Frank: Eine weitere Besonderheit im Gegensatz zu den anderen Partnerlaboren: Wir wollen eine Dorfinventur durchführen. Dort ermitteln wir Bedarfe und Probleme und werden dann passgenaue Angebote und Lösungen in Form von Gründungsideen anbieten. Quasi vom Dorf für das Dorf.

Die bisherigen Ideen orientieren sich an lokalen Bedürfnissen: Wir planen eine Mobilitätsagentur, um die hiesige Versorgungslücke zu schließen. Dafür möchten wir eine Freizeitbuslinie in Kooperation mit dem örtlichen Öpnv, Carsharing, eine Ladestation für Fahrräder und Mopeds und abschließbare Fahrradboxen für die Pendler organisieren.

Weiterhin wird ein Makerspace und Kreativraum hier einziehen, der Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche schafft, wenn die Schule um 14 Uhr schließen und die arbeitenden Eltern vor Ort Betreuungsengpässe haben. Da haben wir schon den ersten Förderantrag abgegeben. Ein großer Erfolg!

Daneben haben wir einige Lösungen für das hiesige Nahversorgungsproblem: Neben dem Catering, welches regionales Bio-Essen herstellt, soll sich auch eine Lebkuchen-Bäckerei gründen, die in Form von örtlichen Wahrzeichen sind. Toll wäre auch ein Späti direkt am Bahnhofsvorplatz, wo die Leute vor Ort und Pendler*innen die wichtigsten Dinge des täglichen Bedarfs finden und so nicht in den Supermarkt im nächsten Dorf fahren müssen.

 

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Ein Ort, an dem jeder jedem hilft, wo man Dinge gemeinsam erschafft, wo man Teil einer Community, Teil eines gemeinsamen Großen wird – das ist @bahnhof17 in Güsen. 🏠 Zumindest sagen es die Beteiligten, die das Projekt gemeinsam aufbauen. Ihre Mission: den verlassenen Bahnhof wieder mit Leben füllen, damit es mal wieder einen Gemeinschaftsort für alle gibt. Dabei unterstützen sie sich gegenseitig und bekommen auch Hilfe von außen, durch Förderungen oder Spenden zum Beispiel. 👨‍👨‍👧‍👦 Würdest du dir auch so etwas für deinen Ort wünschen? 🤔 #kleinstadthelden #güsen #jerichowerland #kleinstadtperlen #dorf #dorfleben #bahnhofprojekt #neulandgewinner #neulandgewinner #gründungslabor #coworkingspace #coworking #gemeinschaft #verein #projekt #landliebe #sachsenanhalt #deutschland #dorflebenistschön #heimatliebe #dorfkind #dorfstattstadt #mdr

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4. Was habt ihr euch für das erste Jahr vorgenommen? Was sind eure Entwicklungsziele?

Frank: Innerhalb unserer Organisation wollen wir uns neu strukturieren. Anfang März hatten wir Rike von der Kulturhanse vor Ort, die uns geholfen hat, eine gemeinsame Vision zu entwickeln, in die sich jede*r individuell verorten kann. Als nächstes müssen wir klären, welche Aufgaben anfallen und wer was übernimmt. Haben wir Engpässe und wenn ja, wo? Wir haben hier Leute, die kommen extra aus Wernigerode oder Aschersleben und Magdeburg, um mitzuhelfen. Einige können sich sogar vorstellen, für das Gründungslabor hierher zu ziehen. Das ist toll – aber keine kurzfristige Lösung. Wie können wir auch die Leute vor Ort aktivieren?

Zum anderen entwickeln wir eine digitale Plattform, die relevante Informationen und Funktionen, wie Mitgliederverwaltung und Communtybetreeung, Buchhaltung, einen zentralen Terminkalender und die Homepage zusammenträgt. Die können auch unsere Gründer*innen oder die Orga-Gruppe der 800-Jahres-Feier nutzen. Gerade in Zeiten von Corona ist eine ortsunabhängige  Begegnungsplattform enorm wichtig. Denn so wie es aussieht, können wir den Bahnhof17 als Treff- und Arbeitsort nicht so schnell wieder nutzen. Deswegen dürften wir unser diesjähriges Ziel, die Räume voll auszulasten, nicht so schnell erreichen, wie erhofft.

Für das Gründungslabor wollen wir fünf Gründungen in der ersten Runde auf den Weg bringen. Außerdem wollen wir eine zweite Runde beginnen. Später im Jahr ist der Start der Dorfinventur geplant. Diese müssen wir nun auch an die jetzige Situation anpassen und arbeiten an einer digitalen Variante, der „Dorfzeit“. Von Podcasts, kleinen Videos über die Lieblingsstellen im Dorf und Kurzgeschichten von wichtigen Ereignissen über Online-Vorstellungen hiesiger Läden ist vieles denkbar. In dem Konzept stellen wir uns folgende Frage: Wie kann man den Ehrenamtler*innen die Wertschätzung, die sie verdienen und die sie motiviert auch digital geben? Ich denke, dass wird uns noch länger beschäftigen.

5. Was waren oder sind Herausforderungen?

Frank: Unser Herausforderung war eigentlich etwas Positives: Wir waren im Februar Projekt der Woche im MDR Instagram-Format „Kleinstadthelden“. Eine ganze Woche lang wurden Videos gedreht, Stories gepostet, unsere Gründer*innen interviewt –wir waren voll im medialen Scheinwerferlicht. So toll das für unsere Außenwirkung war, hatte es auch seine Schattenseiten. Da waren zum einen die Gründer*innen, die meist zum ersten Mal vor der Kamera interviewt wurden. Die spürten einen großen Druck und Verantwortung als Vereinsmitglied das Richtige zu sagen. Und dann war da außerdem die verhaltene Resonanz des Dorfes: Sie empfanden die Berichterstattung als negativ und wollten ihr Dorf in einem besseren Licht präsentiert haben. Nur sind wir ja mit dem Bahnhof17 angetreten, um genau diese Probleme anzugehen.

Nicht zuletzt geht es uns wie allen anderen: Corona verändert alles. Ich bin sehr gespannt, wie unsere Gesellschaf aussieht, wenn sie wieder hochfährt nach dem Reset. Wie das System mit den Unsicherheiten lernt, umzugehen.

Vor allem beschäftigt mich die Frage, wie wir die Angst vor der Nähe wieder abbauen können. Für welche (Freizeit-)Aktivitäten mit anderen werden sich den Menschen entscheiden? Wie können wir die Leute motivieren, sich weiterhin ehrenamtlich zu engagieren, sie noch mehr wertschätzen? Welche Themen werden sie interessieren, wie kann man sie am besten ansprechen?

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