Das erste Quartal Gründungslabor ist geschafft. Unsere Partnerlabore berichten darüber, wie sie in See stachen, welche Meere und Ozeane sie erforscht und erste Abenteuer bestanden haben. Den Anfang macht das Ahoi-Gründungslabor in Altenburg. Hier sprachen wir mit Susann Seifert.
1. Was ist bei Euch im Gründungslabor seit der Eröffnung passiert?
Susann: Zuerst versuchten wir das Gründungslabor lokal bekannter zu machen. Dabei haben stellten wir fest, dass die Leute noch nicht so ganz begreifen, was wir damit bezwecken. Manche fühlten sich nicht angesprochen, weil sie sich (noch) nicht als Gründer*innen sehen. Andere dachten: Hilfe, nun muss ich mein bisheriges Leben über Bord werfen! Und dann gab es noch diejenigen, die einfach unsere Sprache nicht verstanden, denen alles mit Gründung und Monitarisierung von Engagement fremd war.
2. Was habt Ihr konkret getan, dass die Altenburger*innen euer Gründungslabor annehmen und womöglich als attraktives Angebot verstehen?
1. Gespräche im Vorfeld
Im Vorfeld haben wir viele Gespräche mit Interessierten bzw. Ideenhaber*innen geführt, uns mit anderen Gründer*innen getroffen und unser Konzept erklärt. Die Meisten dachten, dass sie von Null auf Hundert mit Eintritt in das Gründungslabor ihr Leben umkrempeln, ihren Job aufgeben und zu 100% selbstständig sein müssen. Hier konnten wir ihnen Befürchtungen nehmen, aufklären und ermutigen. Im Ahoi Gründungslabor wollen wir Zeit geben, die Idee neben Job und Familie weiterzuentwickeln, um dann zu entscheiden, ob und im welchen Umfang sie gründen wollen.
2. Projektförderung als Türöffner
Gleichzeitig sind wir bei dem Ideenaufruf für eine Projektförderung unserer Stadtmenschen-Initiative auf einige Einreichungen und Köpfe gestoßen, die unerwartetes Gründungspotential haben. Hier bieten wir das Gründunglabor als nächsten Entwicklungsschritt an. Mit der Förderung gibt es somit eine Starthilfe zum sofortigen Loslegen und auch schon eine gewisse Öffentlichkeit. Außerdem bestärkten uns die Einreichungen in unserer Annahme, dass es in Altenburg noch genug unerkannte Gründungsideen gibt!
3. Den Kern kommunizieren
In den 1:1 Gesprächen stellte sich als größte Herausforderung heraus, unser Angebot möglichst einfach und niedrigschwellig zu kommunizieren. Aus unseren Vorgesprächen wussten wir, dass viele gar nichts mit Begriffen wie Gründungslabor anfangen konnten. Im Februar hatten wir Rike von der Kulturhanse zu einem Workshop zu Besuch, in dem wir versuchten, unsere Vision, Idee, den Kern herauszuschälen. Nun ist endlich der Gründungsideen-Aufruf raus! Bis zum 5. April 2020 können sich Einzelkämpfer*innen und Teams bei uns melden.
4. Der Weg zum Stipendium
Wer seine Gründungsidee eingereicht hat, den*die laden wir dann zum gemeinsamen Workshop ein. Dort werden die Ideen mit Expert*innen geschärft und gepitcht. Die Gründer*innen sind selbst die Jury, die entscheidet, wer ein Stipendium im Gründungslabor erhält. Danach gehts los: Wir bieten Raum zum Arbeiten, ein Netzwerk und Qualifizierung. Gemeinsam identifizieren wir, welche Themen für Alle relevant sind und in Workshops bearbeitet werden und wer ein individuelles Coaching benötigt. Außerdem suchen wir gerade bei lokalen Unternehmer*innen nach geeigneten Mentor*innen.
3. Was habt Ihr euch für das erste Jahr vorgenommen?
Susann: Wir möchten mindestens sechs Gründungsvorhaben dabei helfen, an ihren Ideen zu arbeiten und herauszufinden, wie sie damit ihr Geld verdienen können. Dabei hat sich jede*r bestenfalls persönlich weiterentwickelt und sieht sich selbst als zukünftige*r Unternehmer*in oder gegründete bereits.
Die Gründer*innen sollen gemeinwohlorientierte Ideen voranbringen, das heißt Lösungen für aktuelle Probleme in Altenburg finden oder fehlende Angebote für die Leute vor Ort entwickeln und ausprobieren. Damit wird die Stadt attraktiver, denn unser Thema ist die Verquickung von Tourismus und Kreativwirtschaft. Das Feld bearbeiten wir ja selbst mit der Farbküche und ziehen Gleichgesinnte durch unser Tun an. Aber in Altenburg können wir es uns nicht leisten, dass Gründungslabor thematisch zu eng zu fassen.
Hier gibt es viele Menschen, die unzufrieden sind mit ihrer beruflichen Situation, die aber nicht so richtig eine Idee haben, mit was sie genau gründen können. Dafür soll das Gründungslabor auch eine Plattform bieten. Zum einen bringen wir Unternehmer*innen, die Nachfolger*innen suchen zusammen mit Interessierten. Zum anderen wollen wir Gründungsideen durch eine kleine Stadtinventur sammeln: Was fehlt in Altenburg? Wir organisieren dann Formate, in denen sich Ideen und Umsetzer*innen und Unternehmer*innen und Nachfolger*innen finden.
4. Was nehmt Ihr Euch für die Entwicklung als Organisation vor?
Susann: Wir als Farbküche möchten uns breiter aufstellen. Ich persönlich habe mir mit dem Aufbau und dem Betrieb des Gründungslabors ein neues Feld erschlosen, in das ich tiefer einsteigen und mich darin weiterentwickeln will. Dafür werde ich selbst wieder zur Gründerin, genauer zur Intrapreneurin: Zum einen muss ich ein Modell entwickeln, wie sich das Gründungslabor selbst trägt. Zum anderen müssen wir klären, wie wir den neuen Zweig in unsere bestehende Struktur eingliedern. Was passiert mit der Farbküche, wenn ich nicht mehr so viel Zeit für unsere Graffiti-Aufträge habe? Wer kann meine Aufgaben übernehmen? Wie gehen wir mit den Wachstumsschmerzen um? Dafür nehmen wir uns auch das Jahr im Gründungslabor Zeit und gehen mit gutem Beispiel voran.
Unsere mögliche Lösungidee: Grundsätzlich sehen wir in unserem Netzwerk und den Gründer*innen auch eine wichtige Ressource für unsere Organisation, die wir einbinden wollen. Jede*r in unserem Netzwerk und auch die Gründer*innen haben tolle Fähigkeiten, die wir auch brauchen: Sei es die Fotografie, Journalismus, App-Entwicklung oder Eventmanagement. Außerdem macht es immer Sinn, das Netzwerk zu erweitern und zu schauen, wie wir bestehende Angebote von IHK, Thex und Thak in die Gründungsberatung einbauen können.
5. Was waren erste Erfolge?
Susann: Ich bin stolz auf unseren Raum, der nun endlich soweit hergerichtet ist, das Ahoi Altenburg durchstarten kann! Hier ist genug Platz für Ideen, die im gemeinsamen Arbeiten entstehen und auch gleich vor Ort ausprobiert werden können. Wir ermöglichen, statt selbst zu tun.
Leute verstehen den Raum jetzt schon als Anlaufpunkt, als Ideenschmiede. Damit meine ich beispielsweise das Probiercafé. Hier können sich Leute ihren Traum vom eigenen Café temporär erfüllen. Nach kurzer Zeit des Probieren können sie entscheiden: Ist das Gründen was für mich? Will ich was Eigenes oder mache ich das womöglich mit den Leuten, die ich hier kennengelernt habe? Und wir haben hier einen lebendigen Cafébetrieb für Laufkundschaft, ohne selbst Barista werden zu müssen.
Das zeigt mir, dass es genau solche Orte in Altenburg braucht. Und die Effekte des Austausches werden selbst für vorbeischlendernde Menschen sichtbar: Hier entsteht was, was auch der Stadt zu Gute kommt.
6. Wie hat sich Dein Leben seither verändert?
Susann: Ich habe mich weiterentwickelt. Das ging aber schon mit dem Beginn des Kulturhanse-Stipendiums vor anderthalb Jahren los. Bisher habe ich nur Menschen direkt mit unseren Graffit-Workshops bei der Farbküche geholfen. Nun habe ich erkannt, dass ich bereit bin für den nächsten Schritt: Menschen dabei zu befähigen, Multiplikator*innen zu werden. So kann ich nochmal eine weitreichendere Wirkungen auf Andere und die Stadt erzielen.